Ein Blick zurück in Rothenburg ob der Tauber - das Dominikanerinnenkloster
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Das Interieur der Kirche? Kann weg! Die Mauern? Die Steine lassen sich auch prima zu Geld machen. Der lokale Maurermeister Johann Philipp Krämmer hat die Kirche des einstigen Dominikanerinnenklosters in Rothenburg ob der Tauber 1812 erworben, ersteigert von den neuen Herren in Rothenburg ob der Tauber, den Bayern. Die müssen nach den napoleonischen Kriegen schnell Kasse machen, das Königreich ist wie die Stadt Rothenburg pleite und braucht rasch Devisen. So wird in Rothenburg ob der Tauber, das an das Königreich Bayern fiel, verkauft, was nicht niet- und nagelfest ist. Teile der Stadtmauer (!!!) und Türme werden ebenso feilgeboten und von Privatleuten erworben wie Seen und Weinberge und ebenso manche Kirche der Stadt. Und die können mit dem neuen Besitz machen, was sie wollen. Herr Krämmer schlachtet seinen neuen Besitz aus, die Steine werden abgetragen und wieder verwendet: So verschwindet sie nach und nach, die Kirche des einstigen Dominikanerinnenklosters – samt Inventar. Aus ihren Mauern entsteht Neues – die Kirche wird recycelt.


Dort, wo wir heute in Rothenburg ob der Tauber den Klostergarten vorfinden, gingen einst die Nonnen zur Messe. An der Südseite des heutigen RothenburgMuseums schloss die Kirche direkt an das Kloster an. Das wurde schon lange vor der Episode aus dem 19. Jahrhundert nicht mehr als Kloster genutzt, diente im 18. Jahrhundert bereits als Lager für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Wein und Getreide wurden von hier aus gehandelt.
Mitte des 16. Jahrhunderts verschwanden die letzten Dominikanerinnen aus dem Kloster, das 1258 von Lupold von Nordenberg als Adelsstift gegründet wurde – übrigens der gleiche Lupold von Nordenberg, der Ihnen auch als Reichsküchenmeister der Stadt begegnet (das Hotel und Restaurant am Kirchplatz sind frei nach ihm benannt).


Mit den Nonnen war es so eine Sache in Rothenburg ob der Tauber. Die Klöster wie das Johanniterkloster (heute das Kriminalmuseum), das Franziskanerkloster (in der heutigen Herrngasse) oder das Beginenkloster (einst in der Klingengasse) der Stadt waren schließlich wie die Stadt selbst reichsfrei und damit rechtlich nur dem Kaiser unterstellt. So tanzten die Verantwortlichen der Bürgerschaft als autarker Ort in der Stadt teilweise doch merklich auf der Nase herum, im Falle eines Streits entschied der Kaiser respektive dessen Juristen. Oftmals dienten die Klöster den Spendern als Machtbasis in einem Ort. Im Falle der Dominikanerinnen ging es einst um das Schankrecht für Wein, das die Stadtoberen für die Bürger beanspruchten.
Da die adligen Damen als Mitgift beim Einzug ins Kloster aber recht häufig Weinberge einbrachten, setzte sich die Oberin des Klosters recht forsch über das Monopol hinweg. Das Urteil fiel zwar gegen die Klosterdamen aus, so richtig interessierte dies aber keinen und der Wein floss aus dem Kloster weiter recht unverhohlen.


Interessant wurde der Konvent für die regionalen Adelsfamilien in Zeiten großer Not: So diente das von der restlichen Bevölkerung weitgehend abgeschottete Kloster im 14. Jahrhundert während der großen Pest als idealer Zufluchtsort. Wer es sich leisten konnte, zog zu jener Zeit als Nonne ins Kloster ein – der christliche Glaube spielte da nur noch eine Nebenrolle.
Der Sittenverfall wurde dann den Oberen der ohnehin eher papsttreuen Dominikanern zu bunt – Moralpredigten und Erinnerungen an die Grundsätze der Klostergemeinschaft verfingen aber nicht bei jeder Dame. Außerhalb der Klostermauern bekam die Bevölkerung nicht viel von diesem Treiben mit, Gerüchte und Geschichten trugen lediglich die Bediensteten des Klosters nach draußen. Diese Angestellten lebten zum Teil in den kleinen Häusern, die noch heute auf der Ostseite gegenüber des Eingangs zum Museum stehen. Die Angestellten verarbeiteten den Wein und die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, kümmerten sich um die Sauberkeit im Klostergelände.


Um die Sicherheit der Stadt machten sich die Bürger von Rothenburg ob des Klosters lange Sorgen. Im Nordwesten der Stadt fungierten die Klostermauern als Teil der ersten Stadtbefestigung und waren somit ein neuralgischer Punkt bei Angriffen. Denn wir erinnern uns: Bürger durften das Kloster – ein eigenes Rechtsgebiet – eigentlich gar nicht betreten. Die Lösung waren wohl Gänge auf der Stadtmauer, die zum Kloster hin abgeschirmt waren und von den Verteidigern Rothenburgs aus dem Stadtgebiet erreichbar waren. Beweisen lässt sich das nicht mehr zu 100 Prozent, doch trotz des Raubbaus über die Jahre lässt sich beim Dominikanerinnenkloster die Evolution des Gebäudes an Details noch erstaunlich gut nachvollziehen: es gibt Details aus den Wirtschaftshöfen vor der Klostergründung, die Klosterküche zählt noch heute zu den Höhepunkten des Museums und auch im weiteren Verlauf lassen sich viele Bauabschnitte nachvollziehen. Die heutigen Gemäldegalerien muten nicht nur an wie Büroräume, sie wurden einst auch wirklich so genutzt. Während der (über)eifrige Philipp Krämmer in Seelenruhe die Kirche abtrug, nutzten die Beamten der Stadt die Räumlichkeiten in der 1. Etage nach der Mediatisierung als Rentamt – nach heutigem Verständnis ein Finanzamt. Man kann sich ausmalen, wie beliebt das Gebäude wiederum in der Bürgerschaft Rothenburgs war.


Die Fotografien für diesen Text stammen von James Derheim. Das Foto des Grabsteins von Herrn Krämmer hat uns Dr. Möhring zugesandt. Alle Fakten aus dieser Reihe beruhen auf Gesprächen mit Dr. Möhring, dem einstigen Leiter des RothenburgMuseums.
