AULA Seifenfabrik und die Tabakmanufkatur – Unternehmergeschichte

Seifenfabrik AULA und die Tabakmanufaktur von Johann Leonard von Berg

Von Seifenträumen und Tabakhändlern - zwei unterschiedliche Unternehmensgeschichten aus Rothenburg ob der Tauber

Wann ist eine Fabrik eine Fabrik? Und wann bezeichnet man einen Betrieb eher als Manufaktur? Diese Frage lässt sich bei der Zeitreise ins 19. Jahrhundert in Rothenburg ob der Tauber recht gut beantworten: Einerseits stoßen wir hier zu Beginn des Jahrhunderts an der heutigen Adresse Alter Keller nahe der Hafengasse auf die Tabakmanufaktur von Johann Leonard von Berg und seinem Schwager Johann Michael Unger. Der aus einer in Rothenburg ansässigen Adelsfamilie gebürtige von Berg begann 1795 in der Ölmühle von Bettwar im Taubertal mit der Herstellung von Rauchwaren. Gegen die Widerstände der Stadträte und vieler Bürger, welche die Lärmbelästigung und Geruchsbelästigung durch eine Manufaktur abschreckte, zog es ihn mit seinem Unternehmen in die Stadt. Der Grund: die verkehrstechnisch damals bessere Lage und die erhöhten Absatzmöglichkeiten im Zentrum Rothenburgs. Nachdem die Bestrebungen misslangen, das Gasthaus Greifen in der Schmiedgasse und das Fleischhaus neben dem Marktplatzbrunnen zu erwerben, gelang es von Berg und Unger, das Haus Alter Keller 5 zu kaufen. Nun wurde der Tabak in der Altstadt per Hand produziert.

Manufkatur Tabakfabrik Alter Keller Rothenburg
Tabakfabrik Gebäude Alter Keller Rothenburg ob der Tauber
AULA Seifenfabrik Rothenburg ob der Tauber

Andererseits begegnet uns beim Blick ins Archiv und das Hotelprojekt Alter Ego vor dem Würzburger Tor der Name einer echten Rothenburger Unternehmerfamilie vom Ende des 19. Jahrhunderts, die mit der AULA Seifenfabrik den Sprung aus der Georgengasse vor die Tore der Altstadt wagte: Anna Schmieg und ihr Mann Heinrich bauten das Unternehmen weit nach der ersten Hochphase der Industrialisierung in Franken zu einem deutschlandweit tätigen Unternehmen auf. 1912 gründten sie ihre Fabrik. Zum Vergleich: Der Siemens-Vorgänger Schuckert & Co. errichtete seine zweite Fabrik in der Landgrabenstraße im nahen Nürnberg 1890, das erste Fabrikgebäude wurde von der Firma dort 1879 errichtet. Der Nachteil Rothenburgs: In Zeiten der Dampfmaschinen brauchte es sehr viel Wasser – und das fand sich trotz der Reservoirs im Taubertal und unter der Frankenhöhe hier nie ausreichend.

Da gab es die Tabakmanufaktur des umtriebigen Johann von Berg – er handelte unter anderem auch mit Getreide – schon lang nicht mehr. Die verblieb bis zu ihrem Firmenende in der Altstadt und somit der handwerklichen Verarbeitung des in Franken damals nicht untypischen Rohstoffs verhaftet – eines der Kernanbaugebiete lag im Nürnberger Land, keine 60 Kilometer östlich von Rothenburg ob der Tauber. Diese Mischung aus kleiner Produktion und regional begrenzter Beschaffung wurde der Firma nach 1802 und der Eingliederung Rothenburgs in das bayerische Wirtschaftsgebiet zum Verhängnis: Die Konkurrenz aus Fürth und Nürnberg arbeitete in jener Zeit mit immer größeren Mengen und erweiterten Anbaugebieten, die Beschaffung wurde für den Rothenburger Betrieb so immer schwieriger. Nicht nur in Zigaretten, auch im beliebten Schnupftabak wurde dieser an den Konsumenten gebracht. Eigene Anbauversuche in den Böden um Rothenburg brachten kaum nennenswerte Erträge, immerhin „sieben Zentner Tabak“ (also 350 Kilogramm) sind 1812 für das Stadtgebiet archivarisch belegt. Zur Einschätzung: heutzutage befinden sich in einer Zigarette circa 0,7 Gramm Tabak – und bereits 1639 wurden 750 Tonnen Tabak aus den USA nach Europa verschifft.

Einen anderen unternehmerischen Weg ging die Familie Schmieg: Heinrich nutzte das jahrhundertealte Fachwissen der Seifensieder in Rothenburg ob der Tauber und machte aus dem Handwerksbetrieb aus der Georgengasse einen respektablen Betrieb mit 80 Mitarbeitern, maschineller Serienproduktion (genau das unterscheidet die Fabrik von der Manufaktur) und eigenem Bahnanschluss. Gegründet hatte die Seifensiederei der Handwerker Georg Klenk, dessen Tochter August Schmieg heiratete. Die Seifenindustrie galt im Kaiserreich als prosperierender Wirtschaftszweig: 1895 produzierte man noch 180 000 Tonnen Seife pro Jahr im Deutschen Reich, bis 1913 war diese Menge auf 550 000 Tonnen gestiegen. Gute Zeiten, auch für die AULA und die Familie Schmieg – die dritte Generation wagte 1912 den großen Wurf der Fabrik nahe des Rothenburger Bahnhofs – heute steht hier das Gebäude der BayWa.

Rothenburger Turmseife Verpackung AULA Seifenfabrik Rothenburg ob der Tauber
AULA Seifenfabrik Rothenburg ob der Tauber
AULA Seifenfabrik Rothenburg Werbung Produktverpackung

Rauchende Schlote sind auf den Motiven aus dieser Zeit zu sehen. Für Rothenburg ein relativ ungewohntes Bild: neben der AULA gab es damals keine nennenswerten Industriebetriebe im beschaulichen, verarmten Mittelalterstädtchen. Und die erfolgreiche Zeit währte auch nur recht kurz. Denn der Erste Weltkrieg mit den damit einhergehenden Beschaffungsproblemen bei Rohstoffen und der Zwangsbewirtschaftung unterbrach den Aufstieg. Trotzdem zog die Familie Schmieg nach dem Krieg in die 1905 errichtete Unternehmervilla in der Würzburger Straße (heute das Hotel Alter Ego) und verkaufte das Anwesen in der Georgengasse an die Familie Reingruber, die passenderweise mit einem Seifenhandel startete.

Als 1920 die Zwangsbewirtschaftung der Seifenindustrie aufgehoben wird, findet die Familie Schmieg in Nürnberg den neuen Geschäftspartner Friedrich Scheib für die deutschlandweit arg ausgedünnte Seifenproduktion: die Handelsmarke AULA bleibt gleich, das neue Unternehmen heißt aber: „Rothenburger Seifen- und Ölfabriken Schmieg & Scheib GmbH“. In der Wirtschaftskrise während der Weimarer Republik überlebte diese Gesellschaft gerade zehn Jahre, die Schmiegs suchten sich für die AULA GmbH neue Geschäftspartner, wieder aus Nürnberg: Hans Möschel und Lucian Goll beteiligten sich, man stellte sich mit den drei Sparten Seifen, Parfümerie und chemische Produkte wie Waschmittel auch breit auf. Und auch den Zweiten Weltkrieg überlebte das Firmengelände trotz der Bombardierung Rothenburgs 1945 weitgehend unbeschadet.

Allerdings galt der einzige Nachkomme der Schmiegs seit den Kämpfen um Stalingrad als vermisst, die private Villa wird zerstört. Trotz widriger Umstände der Nachkriegszeit hatte die Aula zu Zeiten des Wiederaufbaus und der jungen Bundesrepublik eine letzte Hochphase: Aula-Seife, -Shampoo, -Zahnpasta und die Waschmittelmarke Orisin gab es in Läden in ganz Deutschland, 1969 verkaufte man 114 Produkte. Allein: wie einst bei den lokalen Tabakherstellern, so konzentrierte sich die Seife- und Waschmittelindustrie immer mehr auf große Betriebe wie Henkel aus Düsseldorf, zehn Betriebe machten schließlich 1960 80% der Gesamtproduktion aus. Feinseifenmarken wie Fa, Rexona oder Palmolive gab es schon damals, wir kennen sie noch heute. Die Kernseifen aus der AULA-Produktion wurden immer weniger nachgefragt, der schleichende Niedergang konnte unternehmerisch nicht aufgefangen werden: Im Februar 1975 wurde die AULA Seifenfabrik liquidiert. Wenig später wird das Gebäude abgerissen, schon Anfang der 80er ist nichts mehr von der Fabrik zu sehen. Und so gleicht das Schicksal der Seifenfabrik jenem der Tabakmanufaktur: die größere Konkurrenz bereitete das Ende.

Übrigens: Die Friedrich Scheib Oel- + Fett-Fabrik e.K. gibt es in Nürnberg bis heute. Und die Familie Reingruber betreibt das Geschäft in der Georgengasse immer noch – als Drogerie.

Die Fotos stammen alle von James Derheim, die Inhalte hat für uns Dr. Florian Huggenberger aus dem Stadtarchiv zusammengetragen. Wir bedanken uns herzlich!

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